Museum "Altes Dorf" in der Zehntscheuer
Mit der Zerstörung Deckenpfronns am 21. April 1945 sind fast alle Zeugnisse der Vergangenheit verloren gegangen. Die ältesten erhalten gebliebenen Gebäude befinden sich im Bereich der Zehntscheuer, das inzwischen zum Mittelpunkt des "historischen Dorfes" geworden ist.
In den beiden oberen Dachgeschossen der Zehntscheuer ist in 3 Schritten 1987, 1990 und 1992 auf einer Ausstellungsfläche von 140 qm das Mueseum "Altes Dorf"n entstanden.
Es ist eine sozialkritische Dokumentation der Lebensverhältnisse eines Jahrhunderts etwa ab 1850 unter dem Thema "arm - reich". Leitelement ist ein "Dreieck", das in der Balkenlage der Dachkonstruktion, den Texttafeln und wegweisenden Zeichen sichtbar wird. Die Leitfarbe ist blau - sie trennt auch die vom Volkskundler Michael Schödel aus Reutlingen inszenierten Darstellungen der gegensätzlichen Lebensverhältnisse.
Machen Sie hier einen virtuellen Gang durch das Dorfmuseum
Der Rundgang beginnt im 1. Dachgeschoss
Wir beginnen im 1. Dachgeschoss, wo an Öffnungstagen auch auf restaurierten Biedermeiermöbeln zur Kaffeestunde eingeladen wird. "Dorf ohne Geschichte?" - so frägt eine Fotoanordnung puzzleartig und führt den Besucher in großen Schritten in die technische Entwicklung der Gründerzeit ein.
Der Brunnen als Vorläufer der zentralen Wasserversorgung wird sichtbar, eine Modelleisenbahn erinnert an die Verhinderung des Bahnbaues auf Markung Deckenpfronn, schemenhaft wird die Einführung der Elektrizität, der Beginn der Genossenschaften, die Motorisierung in Haus und Arbeit sichtbar, bis dann über die Inflation 1923 jäh das "Dritte Reich" anbricht und auf einem großen Luftbild, mit roten Lämpchen markiert, der Untergang einer Machtideologie und die Zerstörung Deckenpfronns dem Betrachter ins Auge fällt.
Aus dem zurückgelassenen äußeren und inneren "Schutt" wächst neues Denken und Werden empor. Dies wird symbolisch mit dem Wiederaufbau der Deckenpfronner Kirche dargestellt. So zu geschichtlicher Information bereit gemacht, kommt der Besucher...
Der Besucher kommt ins 2. Dachgeschoss
wo ihn inszenierte Raumeinblicke empfangen. Er schaut durch ein altes Küchenfenster und betritt dann auf dem Sandsteinboden die "schwarze Küche" mit allen Koch- und Essgeräten früherer Tage. Der Hinderladerofen weist hinüber in die Wohnstube des reichen Bauern, der dort sein Essen einnimmt, aus Zinkbechern trinkt, bereits eine Petroleumlampe hat.
Derweil löffelt das Gesinde aus einem Messinghafen in der Küche, der "Pfannenknecht" unterstützt. Gegenüber die Stube des armen Bauern, in der gekocht, am Spinnrad und am Schnitzbock gearbeitet wird, das Kind daneben spielt. Flachsverarbeitungsgeräte erinnern an die alte Deckenpfronner Flachsanbautradition. Räumlich getrennt ein weiterer Gegensatz: hier die Strenge der Kirche, und der Gemeinschaften, dargestellt am alten Kirchenmodell und dem Harmonium, dort das lockere "Lichtgangwesen" der Jugend an Spinnrad und "Wollbobbel".
Dieser Blick wird ergänzt durch den Hinweis auf die schon im Jahre 1921 begonnene öffentliche Krankenpflegearbeit – Schwester Jakobine Süßer hält dort standhaft die Stellung. Vereinigend für alle Deckenpfronner aber dann die gleiche Tracht, von der es noch einige originale Exemplare gibt.
Als einzige handwerkliche Darstellung ist auf dieser Ebene die komplette Schuhmacherwerkstatt von Karl Luz zu sehen. Sie verbindet die Arbeitsszene am „Schnitzbock“ mit der Stube der „Knechte, Mägde und Kinder", die an die armselige Beherbergung des Dienstpersonals erinnern soll - der Jahreslohn eines Knechtes kennzeichnet dies ebenso wie das Strohbett der Magd unter dem halboffenen Dach.
Die Auswandererszene möchte auf unseren Umgang mit Minderheiten in unserer Gesellschaft hinweisen. Sie sehen ein Auswandererschiff, das mit 67 Deckenpfronner Einwohnern im Jahre 1852 mit vielen Reisetruhen an Bord ist und im Blick auf die Freiheitsstatue vor New York auf ein erlösendes Leben hofft. Eine Originalauswanderertruhe der Familie Heinrich aus Indianapolis / USA ist zurückgekommen und steht nun im Museum.
Die Wendeltreppe führt uns dann zum "hohlen Ziegel"
Dort ist die gesamte Werkstatt des Malermeisters Gottlob Beuttler aufgebaut, der bis zu seinem Tode aus einfachem Fichteholz das so genannte "Arme-Leute-Nußbaum" durch seine Maserierkunst nach der Wiener Schule hergestellt hat. Er war auch ein wichtiger Sackmaler im Dorf und die "Scheffelsackgalerie" zeigt seine Kunst.
Auf der anderen Seite dieser Etage ist ein Tante-Emma-Laden eingerichtet, dem ein mit Wegwerfpackungen gefüllter Einkaufskorb unserer Tage gegenübersteht. In der Mitte ist die frühere Abfallhalde auf dem Böblinger Müllplatz ein bleibender Mahner, umweltbewusst zu handeln. Die Wertsstoffsortierung der Gegenwart im Wertstoffhof Deckenpfronn hat diese Mahnung weitgehend in die Erinnerung verwiesen. Heutzutage werden in Böblingen die Abfälle im neuen Müllkraftheizwerk umweltschonend durch Verbrennen entsorgt.
Öffnungszeiten des Dorfmuseums
Jeden 4. Sonntag im Monat, von 14:00 Uhr bis 17:00 Uhr. An den Öffnungszeiten wird das Museum betreut von Thea Stöffler, Renate Dongus und Bettina Sattler.
Sonderführungen sind auf Anmeldung bei
Thea Stöffler
Telefonnummer: 07056/3226
E-Mail schreiben möglich.